Zuhause

Ich sitze im Chapa nach Ressano Garcia, schaue aus dem Fenster und genieße es die Landschaft beobachten zu können, etwas was in einer Großstadt eben nicht wirklich möglich ist. Je näher wie Ressano, also der Grenzstadt zu Südafrika kommen, desto hügeliger wird es. Es gibt dort keine Hochhäuser mehr, der Verkehr ist kaum nennenswert, und generell ist es nicht mehr so dicht bebaut. Ich weiß schon, was mich dort erwarten wird, weiß wo ich aussteigen muss und kenne den Weg zum Projekt von Hedda und Hannah. Ich habe also alle Zeit der Welt meinen Gedanken nach zu gehen, die sich, wie so oft in letzter Zeit, immer wieder um das selbe Thema zu drehen scheinen.

Was ist Zuhause?

Was bedeutet dieses Wort überhaupt? Ist es ein Ort, sind es Personen, oder doch ein Gefühl? Da ich dieses Mal nicht alleine nach Ressano fahre, frage ich Hedda, wie sie Zuhause definieren würde.Sich geborgen fühlen, Sicherheit, Familie und Freunde,man selbst sein, Freiheiten… all das sind nur ein paar Beispiele die uns in den Sinn kommen, aber dennoch können wir keine Definition aufstellen. Etwas scheint zu fehlen, etwas, was sich nicht in Worte fassen lässt.

Ich denke also darüber nach, was ich geantwortet hätte, hätte man mich noch vor einem halben Jahr in Deutschland gefragt, was mein Zuhause ist. Ziemlich schnell komme ich zu dem Ergebniss, dass meine Antwort wohl einfach meine Adresse gewesen wäre. Ende , Schluss, Aus. Nichts poetisches oder philosophisches. Eine nüchterne Antwort.

Und fast im selben Moment fällt mir ein, wie ich noch vor ein paar Wochen geschrieben habe, dass ich nun zwei Zuhause besitzen würde. Eines hier in Mosambik, eines in Deutschland.

Heute könnte ich wohl beides nicht mehr ohne Zweifel unterschreiben, aber eines ist sicher: Ich habe hier ein Zuhause gefunden, mein Zuhause, und kann mir nur sehr schwer vorstellen, nächstes Jahr wieder zurück nach Deutschland zu müssen. Klar gab es Sachen, die ich niemals in Deutschland gemocht oder getan hätte. Beispielsweise fand ich auch die Musik, die hier zum Teil gespielt wird, sehr gewöhnungsbedürftig. Wenn ich nun daran denke, weiß ich nicht mehr, wie wir in Deutschland eine Party ohne diese und das dazugehörige Tanzen machen sollen. Im Vergleich hierzu, zu unseren Feiern in Barracas, finde ich deutsche Feste mittlerweile langweilig und verklemmt und würde das hier und jetzt immer bevorzugen.

Ich liebe meine Gastfamilie, die ich gar nicht mehr so bezeichnen würde. Diese Menschen, die ich nun knapp ein halbes Jahr kenne, sind mir so vertraut, als seien sie schon ein Leben lang ein Teil von mir. Ich liebe sie wie meine deutsche Familie, sie können mich genauso nerven, aber am Ende des Tages genieße ich doch jede Minute, die ich mit ihnen verbringe. Ich weiß, wie viel Glück ich, im Gegensatz zu manch anderen Freiwilligen,mit meiner Familie hier habe und bin stets dankbar dafür.

Auch die mosambikanische Mentalität tut mir wahnsinnig gut und so war ich glaube ich noch nie so glücklich wie hier, oder so entspannt und sorgenfrei. Ich hoffe diese Eigenschaften für immer behalten zu können, auch wenn ich nächsten Januar erst einmal wieder nach Deutschland zurückkehren werde.

Ich weiß immer noch nicht, was Zuhause wirklich bedeutet,kann es nicht definieren, und vielleicht werde ich darauf auch nie eine Antwort haben, aber ich glaube, dass ich mit meinem mosambikanischen Leben einen Schritt in die richtige Richtung gehe. Zuhause ist für mich mittlerweile kein Ort mehr, sondern ein eigenständiges Gefühl mit zahlreichen Facetten, so vielen, dass man sie unmöglich vollständig aufzählen kann. Für jetzt kann ich jedoch behaupten, dass mein Leben hier bisher mit den meisten dieser Facetten übereinstimmt. Vielleicht werde ich im Laufe meines Lebens woanders das selbe Gefühl haben wie hier, vielleicht werden anderswo alle Facetten dieses Gefühls Zuhause erfüllt, aber die Zukunft hat noch Zeit und für das hier und jetzt ist dies hier mein Zuhause, hier fühle ich mich zuhause.

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